Phantasie, Erinnerung, Narration. Abschlussvortrag, 27. Februar 2017, Österreichischer Verein für Individualpsychologie (Helga Haunschmied-Donhauser)

Der Vortrag fragt nach den Verflechtungen von Phantasie, Erinnerung und Narration im therapeutischen Prozess. Eine zentrale These dabei ist, dass mithilfe der erzählten Erinnerungen und Träume, der geschilderten Phantasien und verwendeten Erzählmuster Abwehrstrategien und Lebenspläne im Sinne Alfred Adlers sichtbar gemacht werden können. Der Lebensplan wäre so betrachtet die fiktive biografische Narration, die sich aus Erinnerungen und Phantasien speist. Patienten erzählen sich ihr Leben in der Therapie selbst, um ihm eine Struktur, einen Verlauf, Sinn und Bedeutung zu geben, die nicht nur aus einer erinnerten Vergangenheit hervorgeht, sondern zugleich in eine antizipierte Zukunft vorausweist. Dabei wird eine Auswahl getroffen, Erinnertes als wichtig oder unwichtig eingestuft, dementsprechend betont, weggelassen, verdrängt oder umgeschrieben. Phantasien können Erinnerungen überlagern, verdrängen, Erinnerungen können zu Bruchstücken von Phantasien werden. Entscheidend für das Aufspüren des Lebensplans ist das Erkennen des narrativen Zusammenhangs. Dies erfolgte in der Abschlussarbeit anhand von drei Fallbeispielen unter Zuhilfenahme von Traumdeutungen, der Arbeit mit Phantasien, dem Auffinden von Erinnerungsspuren sowie einer Analyse von Erzählmustern. Daraus, so die Annahme, lassen sich nicht zuletzt Rückschlüsse auf Leidenszustände und unbewusste Abwehrformen ableiten. Den Lebensplan in einem therapeutischen Prozess zu kennen, ist in jedem Fall von therapeutischem Nutzen. Die Art und Weise, wie im Einzelnen damit umgegangen werden kann, hängt jedoch sehr von den Umständen des Einzelfalls ab.

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