Was Dobby der Hauself mit dem Recht zu tun hat (Gerhard Donhauser)

Was Dobby der Hauself mit dem Recht zu tun hat

 „[J]eder, der meint, dass es mit dem Faschismus, in welcher Gestalt auch immer, aus und vorbei wäre, liegt falsch.“

Judith Shklar, Der Liberalismus der Furcht [1]

 Die bunte und komplexe Welt von Joanne K. Rowlings „Harry Potter“-Romanzyklus kennt viele magische Wesen. Dazu gehören nicht nur Hexen und Zauberer, sondern auch Hauselfen. Diese werden von Zauberern und Hexen wie Leibeigene gehalten und erlangen ihre Freiheit nur, wenn sie ihnen von ihren Herrschaften in dieselbe entlassen werden, durch Schenkung eines Kleidungsstücks. Dies gelingt nur wenigen, wie etwa dem Hauselfen Dobby, und auch er schafft es nicht ohne Hilfe, von seinem master Lucius Malfoy loszukommen. Befreit erweisen sich Elfen als enorm mächtig, sie beherrschen magische Künste ohne Hilfsmittel, viel besser und wirkungsmächtiger als Zauberer/innen. [2]

 Das Recht hat gewisse Gemeinsamkeiten mit Dobby. Immerhin ist auch das Recht eine beachtliche Macht, die sich zumindest in funktionaler Hinsicht die Basis und die Bedingungen ihrer Existenz selbst schafft. Es ist korrekt, dass alles Recht auf politische Machtfragen und die Durchsetzung bestimmter Positionen auf politischer Ebene zurückgeht. Doch um Recht zu sein, genügt die Bekundung von Macht eben gerade nicht, vielmehr bedarf es bestimmter Formen und Strukturen (Verfahren), die nicht beliebig sind. Der Befehl eines Potentaten ist strukturell und grundsätzlich etwas anderes als ein Gerichtsverfahren, selbst wenn die Richter/innen ignorant oder korrupt sein sollten. Zweifellos sind das Recht und vor allem seine Vertreter/innen korrumpierbar, und letzte erweisen dies fast jeden Tag irgendwo auf der Welt. Willfährige Juristinnen und Juristen sind bestrebt, die Befehle von Potentaten in eine juristisch einwandfreie Form zu bringen, doch das müsste nicht so sein. Juristinnen und Juristen, insbesondere Richter/innen, die sich der Idee eines unabhängigen Rechtswesens, im Idealfall auch bestimmten rechtsstaatlichen Qualitäten verpflichtet fühlen und nicht einer Ideologie, einer Religion, einem Armeeverband oder dem Ziel persönlicher Bereicherung, können Einiges bewirken, auch unter widrigen politischen Bedingungen.

 Das Recht bzw. die Jurisprudenz als solche, böte die Möglichkeiten dazu (nicht zuletzt auch auf persuasiver Ebene). In diesem Sinne wäre sie im Grunde von keiner Politikerin/keinem Politiker zu bändigen, so wenig wie ein Hauself im Rowling-Universum von einer Hexe oder einem Zauberer. Allerdings ist das Recht (so wenig wie ein Hauself) imstande, sich selbst Ziele und Inhalte zu setzen. Dies scheint ein grundlegendes Problem zu sein. Zugleich ist es bezeichnend, dass Apologetinnen und Apologeten autoritärer Entscheidung als Basis politischen Handelns offenbar nichts mehr fürchten als ein funktionierendes Rechts-, insbesondere Gerichtswesen. Ansonsten wäre der verbreitete Kult des Ausnahmezustands schwer erklärlich. [3]
Gerichte haben, wenn sie tatsächlich funktionieren und nicht korrumpiert sind, zumindest das Potential, solchen Systemen Paroli zu bieten, mehr als vieles andere. Lucius Malfoy hat gegen Dobby keine Chance, wenn der sich erst einmal befreit und loslegt.

[1] Shklar, Judith N.: Der Liberalismus der Furcht (1989). In: Shklar, Judith N., Der Liberalismus der Furcht. Hg. v Hannes Bajohr (Berlin 2013), 28.

[2] Vgl. Rowling, J. K., Harry Potter and the Chamber of Secrets (London 1998), insbes. 18 ff., 115 ff., 361 ff.; Rowling, J. K., Harry Potter and the Deathly Hallows (London 2007), 378 ff.

[3] Man denke an das intensive Bemühen der Bush-Administration, jegliche Zuständigkeit der US-Justiz für Häftlinge in Guantanamo zu verhindern; vgl. dazu auch Begley, Luis, Der Fall Dreyfus. Teufelsinsel, Guantánamo, Alptraum der Geschichte (Frankfurt am Main 2009), 39 ff.